LIGHTINGFIELDS MAINE COON

der wink mit der pfote

Ein Märchen aus Japan

Außerhalb des Dörfchens Meguro, etwas abseits der Straße, die nach Edo führt,
betrieben Herr Nakamura und seine Frau ein kleines Gasthaus. Mit ihnen lebte
eine weiß-rot-schwarze Katze, die wegen ihrer drei Farben Mikeh genannt wurde.

Herr und Frau Nakamura waren nicht mit Reichtümern gesegnet. Sie schenkten
Sake aus, Reiswein, servierten den Gästen Tee und Reiskuchen. Sie lebten nicht
gut davon, aber auch nicht schlecht. Auch wenn sie manchmal selbst nicht genug
hatten, gaben sie der kleinen Mikeh immer ein paar Leckerbissen. Sie ließen sie nie
hungern, zupften sie nie an den Ohren, traten nie nach ihr, wie das manche Leute
tun. Eines Tages wurde Herr Nakamura sehr schwer krank. Und weil er sich jetzt
nicht mehr um die kleine Gastwirtschaft kümmern konnte, kamen immer weniger
Gäste. Bald kamen überhaupt keine Gäste mehr, denn auch Frau Nakamura war
krank geworden. Nur Mikeh, die Katze blieb gesund. Aber sie war sehr bekümmert,
denn sie sah Tag für Tag die sorgenvollen Mienen der beiden Menschen, wie sie
sich manchmal vom Brunnen Wasser holten, um sich einen Tee zu kochen. Wie sie
immer mutloser und einsamer wurden.

Da beschloß Mikeh, den Katzenkönig aufzusuchen, der in einem verfallenen Tempel
am Fuße des heiligen Berges Fuji lebte und der allen bedrückten Katzen des Landes
Rat und Hilfe geben konnte. So verabschiedete sich die Katze von seiner Herrschaft
für ein paar Tage und versprach, ganz gewiß wiederzukommen. Die Nakamuras
schnürten dem Kätzchen ein Bündel mit ein paar Leckerbissen, dann machte sich
Mikeh auf die Reise. Als sie hinter einem Bambuswäldchen verschwunden war,
weinten Herr und Frau Nakamura bitterlich, denn sie hatten das Gefühl, nun habe
auch die Katze sie wegen der großen Not verlassen.

„Ach, Frau", sprach Herr Nakamura, „da geht unser Kätzchen. Wir werden es wohl
nicht wiedersehen, denn wer möchte schon gerne unter Not teilen". Mikeh, die Katze,
lief derweil so schnell es konnte. Nach zwei Nächten und drei Tagen kam sie zu dem
verfallenen Tempel, in dem der Katzenkönig lebte, ein großer schwarzer Kater mit
weißen Augen, der von allen Katzen zärtlich Njan-Njan genannt wurde. Mikeh
verbeugte sich mehrmals tief vor dem Tempel, bevor sie eintrat. „Guter König der
Katzen", sprach sie in die Dunkelheit, „erlaube mir bitte, daß ich nähertrete."
„Tritt ein, Mikeh", sprach der Katzenkönig. Er saß in einer Ecke des Tempels auf
einem Kissen aus Flicken und trug einen weiß-blauen Kimono. Mikeh verbeugte
sich noch mehrmals ehrfürchtig vor dem Katzenkönig. Aber bevor sie noch etwas
sagen konnte, sprach schon Njan-Njan zu ihr: „Du heißt Mikeh und bist aus Meguro.
Du bist in großer Sorge um Deine Menschen, die Nakamuras. Die Nakamuras
waren immer gut zu Dir und haben alles mit Dir geteilt. Jetzt bist Du zu mir
gekommen, um mich um Rat zu fragen."

„Ehrwürdiger Njan-Njan, woher weißt Du das alles?", fragte Mikeh. „Ich sehe
vieles, ich höre vieles, ich weiß vieles", sprach Njan-Njan. Er machte eine kleine
Pause, als denke er nach. Dann sagte er: „Geh' zurück nach Meguro. Du kannst
helfen. Setze Dich vor die Tür und hebe die linke Pfote in Richtung Hauptstraße.
Dann kehrt das Glück ein ins Gasthaus der Nakamuras." Mikeh merkte sich die
Worte wohl.

Bei den Nakamuras war die Freude groß, als Mikeh wieder zuhause war. Am
nächsten Morgen tat Mikeh, wie der weise Njan-Njan ihr geheißen hatte.
Sie setzte sich vor die Tür des vereinsamten Gasthauses, blickte Richtung
Hauptstraße und hob die linke Pfote. Es vergingen knapp zwei Stunden, da ritten
auf der Hauptstraße sieben Samurai entlang, edle Krieger. Einer von ihnen zügelte,
als er vor dem entfernten Gasthaus die Katze mit erhobener Pfote sitzen sah,
abrupt sein Pferd. „Hollah", sagte er. „Freunde schaut einmal dort herüber.
Vor dem Haus sitzt eine Katze und winkt uns zu." Die anderen Samurai zü-
gelten ebenfalls ihre Pferde, schauten zu dem Gasthaus hinüber. So etwas hatten
sie noch nie gesehen Eine Katze, die mit der Pfote winkte?

Und der erste Krieger, der die Katze entdeckt hatte, schlug vor: „Laßt uns hinreiten
und herausfinden, was es bedeutet. Außerdem könnte uns ein warmer Sake gut tun
und ein Reiskuchen. Als Herr und Frau Nakamura das Getrappel von den Hufen
der Pferde hörten und aus dem Fenster sahen, daß sieben Samurai auf das Haus
zugeritten kamen, waren sie erfreut: Die ersten Gäste seit vielen, vielen Monaten.
Beide waren wie ausgewechselt. Ihre Bedrückung schwand. Sie eilten, den Sake zu
wärmen und Frau Nakamura formte Reiskuchen.

„Guten Tag, Wirt", sagten die Samurai. „Reiche uns Erfrischungen und laß uns
hier einen Moment ausruhen. Aber berichte uns, während Du auftischst, warum
Deine Katze vor der Tür sitzt und mit der Pfote winkt." Herr und Frau Nakamura
waren sehr verlegen. Denn sie hatten noch garnicht entdeckt, daß ihre Mikeh vor
der Tür saß und Gäste herbeiwinkte. „Ach, unsere Mikeh", sagten sie, „ja, ja, so
ist sie, unsere liebe, kleine Mikeh." „Die Samurai machten eine stattliche Zeche.
Dann ritten sie wieder davon. Aber überall im Lande, wo sie einkehrten, berichteten
sie von dem Gasthaus in Meguro, abseits der Straße nach Edo, vor dem eine Katze
namens Mikeh saß und den Leuten zu winkte. Und weil alle Leute die winkende
Katze sehen wollten, kamen immer häufiger Gäste zu den Nakamuras.

Bald ging es ihnen wieder gut. Dann ging es ihnen nach einer Weile besser als je
zuvor. Dank des guten Rates, den dem Katzenkönig Njan-Njan der Mikeh
gegeben hatte, als sie den Nakamuras aus der Not helfen wollte. Seit diesen
Tagen übrigens steht in allen japanischen Restaurants in aller Welt im Eingang
ein Abbild der Mikeh aus Meguro.

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